Carl Friedrich Cramer

Cramer, Carl Friedrich; Pseudonyme: Abdallah Ismael; Tellow

Republikanisch gesinnter Theologe und Professor; im Pariser Exil Buchhändler

Geboren in Quedlinburg am 7. März 1752
Gestorben in Paris am 8. Dezember 1807

In dem heute weithin vergessenen Gelehrten, Schriftsteller und Übersetzer Carl Friedrich Cramer begegnet uns eine der wohl bemerkenswertesten Persönlichkeiten, die im ausgehenden 18. Jahrhundert in Kiel gewirkt haben.

Der älteste Sohn des dänischen Hofpredigers Johann Andreas Cramer verbringt seine Kindheit und Jugend mit der Familie am Rande Kopenhagens. Nach der Entlassung des Vaters 1771 ziehen die Cramers zunächst nach Lübeck, wo Carl Friedrich bis 1772 das Katharineum besucht. Während des Studiums in Göttingen schließt er sich dem Hainbund an, einer Gruppe von Dichtern des Sturm und Drang um Johann Heinrich Voß. Die „Allgemeine Deutsche Biographie“ weiß noch 1876 darüber zu berichten, dass sich Cramer „als einer der übermüthigsten und launigsten dieses Kreises“ #1 hervorgetan habe.

1775, mit gerade einmal 23 Jahren, erfolgt der Ruf an die Christiana Albertina, die Universität zu Kiel, wo sein Vater mittlerweile das Amt des Kanzlers bekleidet. Hier wird er zunächst außerordentlicher, 1780 ordentlicher Professor der griechischen und orientalischen Sprachen und der Homiletik (Geschichte und Theorie der Predigt). Über Cramers vielseitige Interessen bemerkt die „Allgemeine Deutsche Biographie“:

Er las über mehrere Bücher des Alten Testamentes, über geistliche Beredsamkeit, über griechische und römische Schriftsteller, erbot sich (nach den Kieler Lectionskatalogen) auch zu Vorlesungen über die Elemente des Italienischen, über Tasso und Ariost, über die bedeutendsten Schriftsteller des Vaterlandes, über syrische Sprache.

Henning Ratjen: „Cramer, Carl Friedrich“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4. München 1876, S. 557.

Neben seiner Lehrtätigkeit veröffentlicht Cramer in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche Schriften, darunter eine Sammlung von Predigten, die er in den Jahren 1774/75 in Braunschweig, Oschatz und Leipzig gehalten hat, zwei Werke über den von ihm innig verehrten Freund Friedrich Gottlieb Klopstock, eigene Gedichte, diverse Übersetzungen aus dem Französischen (Jean-Jacques Rousseau, Denis Diderot u.a.) und Italienischen (Antonio Salieris Opernlibretto „Armida“) sowie die Zeitschriften „Magazin der Musik“ und „Menschliches Leben“.

Seine Entlassung aus der Universität Kiel erfolgt 1794, nachdem er ankündigt, die Texte des revolutionären Pariser Bürgermeisters und Monarchiefeindes Jérôme Pétion zu übersetzen:

Die deutsche Kanzlei in Kopenhagen forderte ihn auf, sich über diese Ankündigung zu erklären: wie ein Lehrer der Jugend anzusehen sei, der einen Pethion, welcher einen vorzüglichen Antheil an dem Tode Ludwigs XVI. und dem Umsturze der Monarchie in Frankreich gehabt habe, mit den rühmlichsten Namen belege! C. antwortete in einem ausführlichen Promemoria. Nachdem beide Oberdikasterien in Gottorp und Glückstadt ihre Bedenken eingereicht und erklärt hatten, daß die Grundsätze, zu denen sich C. in seiner Erklärung und sonst bekenne, mit dem dem Könige geleisteten Eide und mit dem Lehramt an der Universität in Widerspruch ständen, ward C. durch königl. Resolution vom 6. Mai 1794 seines Amtes entsetzt und ihm befohlen, Kiel zu verlassen.

Henning Ratjen: „Cramer, Carl Friedrich“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4. München 1876, S. 558.

Mit seiner Frau Maria Cäcilia Eitzen, die er schon früh in Kiel geheiratet hat, und dem gemeinsamen Sohn Hermann flieht der nun zum Staatsfeind erklärte Carl Friedrich Cramer 1795 nach Paris, wo er mit Hilfe des Hamburger Kaufmanns und Revolutionsanhängers Georg Heinrich Sieveking eine eigene Druckerei nebst Buchhandlung aufbaut. In seinem neuen Zuhause, welches er bei einer Verlosung konfiszierter bürgerlicher Immobilien gewonnen hat, empfängt er schon bald Freidenker, Aufklärer und Revolutionäre aus Frankreich, Dänemark und Deutschland. Für den Tübinger Verleger Johann Friedrich Cotta schreibt Cramer verschiedene Zeitungsartikel; eine französischsprachige Enzyklopädie über Deutschland mit dem Ziel der Völkerverständigung bleibt hingegen unvollendet.

Zahlreiche Schicksalsschläge – finanzielle Nöte, der Verkauf seines Hauses und der Druckerei, die Tode seines Sohnes Hermann und seines Förderers Sieveking – treffen Cramer in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts schwer. Zwar verfasst er noch einige Artikel für den frisch gegründeten Brockhaus-Verlag, aber als er am 8. Dezember 1807 nach schwerer Krankheit in Paris verstirbt, ist Carl Friedrich Cramer von der Öffentlichkeit schon fast vergessen. Die einzige ausführliche Biografie, die jemals über ihn geschrieben wurde, ist noch immer unveröffentlicht, da ihr Autor, der französische Literaturhistoriker und Germanist Alain Ruiz keinen interessierten Verlag finden kann. Seit 1979.

Der erhaltene Nachlass Carl Friedrich Cramers wird mittlerweile von seinem ersten Arbeitgeber, der Christian-Albrechts-Universität Kiel, verwaltet und liegt in digitalisierter Form vor.

21.6.2021 Jens Raschke