Konrad Hansen

Hansen, Konrad.

Hochdeutsche Romane und plattdeutsches Theater

Geboren in Kiel am 17. Oktober 1933
Gestorben in Heikendorf am 09. August 2012

Stücke, Hörspiele, Drehbücher, Romane – es scheint kaum etwas zu geben, das Konrad Hansen nicht gemacht hat. Er gehört zu den „einflussreichsten niederdeutschen Theaterautoren“#1 und verstand sich darauf, in seinen Werken, aber auch als Intendant die weithin belächelte niederdeutsche Bühne thematisch zu öffnen: „Konrad Hansen hat die plakativste Gattung der plattdeutschen Literatur aus den traditionell eng geknüpften Maschen dumpfer Biederlichkeit herausgeführt.“ #2 Für Ulf-Thomas Lesle ist Hansens Oeuvre daher ein Werk, „das nach Menge, Vielfalt und Qualität ganz und gar singulär dasteht“; #3 gerade mit seinen späten Romanen würde der Autor „die Höhe seiner literarischen Schaffenskraft“ #4 erreichen.

 

Konrad Hansen wird am 17. Oktober 1933 als „Sohn eines Maschinenbaumeisters“ #5 geboren, der früh verstirbt. Er besucht von 1939 bis 1943 die Volksschule in Schönberg und später das Gymnasium in Wellingdorf, wo er an einer Theateraufführung mitwirkt. Ab 1953 studiert Hansen zunächst Germanistik, Philosophie und Theologie in Kiel, danach Volkswirtschaft in Freiburg. Schließlich ist er diplomierter Volkswirt, hat aber bereits frühe Schreibversuche hinter sich: „In den ersten Jahren meines Studiums verfaßte ich ein Jugendbuch und einen Kriminalroman im Groschenheftformat. Von den Honoraren konnte ich ein ganzes Semester finanzieren. Vielleicht wurden damals die Weichen in Richtung Schriftstellerei gestellt.“ #6 Er ist kurze Zeit Korrespondent in Versicherungsunternehmen und wird 1959 Programmgestalter bei Radio Bremen, da der damalige Leiter des Heimatfunks – Walter A. Kreye – auf ihn aufmerksam geworden ist. Parallel dazu entstehen Stücke; 1962 hat sein erster Mehrakter Dat Spökhus am Ohnsorg-Theater Premiere. Ab 1966 bereist Hansen „als freier Autor die Welt, um dann 1974 Walter A. Kreye als Leiter des Heimatfunks abzulösen“. #7 Dort bleibt er bis 1979. Im Folgejahr wird Hansen Intendant des Ohnsorg-Theaters in Hamburg: „Er gestaltet den Spielplan modern, fast visionär. Sein Ziel ist gehobene Unterhaltung, nicht nur die Klamotte. Er will Themen auf der Bühne zeigen, die alle angehen. ‚Es darf gelacht und gedacht werden.‘“ #8 Hansen bleibt bis 1987 in Hamburg und wird dann Direktor an der Niederdeutschen Bühne in Flensburg. Ab 1994 arbeitet er ausschließlich als freier Autor, denn: „Von allen Tätigkeiten, die ich im Lauf meines Lebens ausgeübt habe, war und ist mir der Beruf des Schriftstellers der liebste.“#9

 

Hansens‘ Werk – zu dem auch Regiearbeiten für das Fernsehen gehören – darf als unüberschaubar gelten; es ist „im Laufe der Zeit auf weit über 50 plattdeutsche Theaterstücke angewachsen (dabei sind seine Bearbeitungen und Übersetzungen noch gar nicht mitgezählt) und umfasst nahezu ebenso viel plattdeutsche Hörspiele (auch hier ohne die Übertragungen gezählt)“.#10 Ulf-Thomas Lesle betont: „Die ästhetische Überzeugungskraft seines Oeuvres hat vor allem mit der präzisen Sprachlichkeit der Dialoge zu tun.“ Denn: „Seine ausgeprägte Bewusstheit für Sprachen zeigt sich in seinem gestalterischen Umgang mit dem Platt- wie dem Hochdeutschen. Das hat biographische Gründe. Er ist hier in Schönberg in den Kriegsjahren in der Umgebung aufgewachsen, in der das Plattdeutsche noch Idiom des Alltags war. Es war die gesprochene Sprache der Illiterati. Diese Erfahrung hat ihn immer davor gefeit, den Dialekt in das gefährliche Emotionsgewebe von Heimat, Herkunft und Identität einzuspinnen.“#11


Ab den 1980er Jahren veröffentlicht Hansen – der immer auch auf hochdeutsch geschrieben hat – historische Romane; der erste ist Der Spaßmacher. Ein schamloser Roman aus dem Leben eines Unbefugten (1982). Über Die Rückkehr der Wölfe (2000) – ein Panorama aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges – heißt es: 

Als Fabulierer ist Konrad Hansen nicht eben zimperlich. Er zeigt das Abgründige im sogenannten normalen Weltenlauf, markiert die Idylle als Vorhölle. Er schildert Intrigen, Aberglauben und grausame Exzesse als Ausgeburten religiösen oder ethnischen Wahns und hält so das zusammen, was im Innersten auseinanderfallen will: das Primitive sinnloser Grausamkeit, die Planmäßigkeit und das Systematische der Greuel, ihre scheinbare Rationalität. Das historische Szenario lässt sich auch als eine Parabel auf durchaus gegenwärtige Formen eines weltweit um sich greifenden Fundamentalismus lesen, der offenbar in der kleinsten Gemeinschaft keimt.

Ulf-Thomas Lesle: Laudatio [auf Konrad Hansen zum 70. Geburtstag]. In: Quickborn. Zeitschrift für plattdeutsche Sprache und Dichtung. Jg. 93, H. 4, Hamburg 2003, S. 20–26; hier: S. 26.

Mit Der wilde Sommer. Roman aus dem Jahr 1945 (2005) – einem Buch über den Schwebezustand zwischen Kriegsende und Neubeginn – wendet sich Hansen auch seiner eigenen Geschichte zu, wenn er beispielsweise Angriffe auf Kiel schildert:

 

Kurz darauf begannen die Sirenen zu heulen. Der auf- und abschwellende Ton bohrte sich schmerzhaft in meine Eingeweide, mir wurde übel vor Angst. Wir liefen ein Stück am Hafen entlang zu einem Bunker in der Nähe des Hauptbahnhofs. Am Eingang drängelten sich Menschen mit Taschen, Koffern und Decken. Ein Luftschutzwart verbreitete Zuversicht: Die Bomber befänden sich gegenwärtig über der Deutschen Bucht, es sei noch nicht abzusehen, ob ihr Ziel Hamburg oder Kiel sei. Im Inneren des gewaltigen Betonklotzes roch es nach Schimmel, Urin und feuchtem Zement, von der Decke tropfte Schwitzwasser. An den Wänden entlang der Gänge waren Bänke aufgestellt. […] Ein Flüstern machte die Runde. Die feindlichen Bomberverbände hätten sich geteilt, der eine Teil halte Kurs auf Kiel.

Konrad Hansen: Der wilde Sommer. Roman aus dem Jahr 1945. München 2005, S. 20f.

Hansen letzter Roman Die Kinder der Meerfrau erscheint 2009. Der Autor stirbt am 9. August 2012 in Heikendorf.

 

Für sein Werk hat Konrad Hansen zahlreiche Auszeichnungen erhalten, so den Hans-Böttcher-Preis (1962), den Fritz-Stavenhagen-Preis (1975), den Niederdeutschen Literaturpreis der Stadt Kappeln (1992) und den Kulturpreis des Kreises Schleswig-Flensburg (1996).

 

Seit 2014 wird vom Niederdeutschen Bühnenbund Schleswig-Holstein e.V. der Konrad-Hansen-Preis ausgeschrieben, der alle zwei bis drei Jahre vergeben wird. Ziel ist es, Autorinnen und Autoren zu ermuntern, „moderne niederdeutsche Stücke zu verfassen, die sowohl lebensnah, zeitkritisch als auch unterhaltend verfasst sind“. #12 Ausgelobt werden zwei mit 1.000 bzw. mit 500 Euro dotierte Preise für Theaterstücke; zudem gibt es die Möglichkeit, einen Jugendtheaterpreis zu vergeben.

12.09.2021 Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Alexandra Beese: Vorwort. In: Lachen ist nicht genug. Zum 75. Geburtstag von Konrad Hansen, hg. v. Alexandra Beese, Verden/Aller 2007, S. 5–6; hier: S. 5.

2 Ulf-Thomas Lesle: Laudatio [auf Konrad Hansen zum 70. Geburtstag]. In: Quickborn. Zeitschrift für plattdeutsche Sprache und Dichtung. Jg. 93, H. 4, Hamburg 2003, S. 20–26; hier: S. 21.

3 Ebd.

4 Ebd., S. 24.

5 Anke Hees: Hansen, Konrad. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert, hg. v. Konrad Feilchenfeldt, Bd. 14, Berlin/New York 2020, S. 142.

6 Patricia NN: Interview mit Konrad Hansen. In: www.literatopia.de, 30. September 2009. Link: www.literatopia.de/index.php

7 Beese, Vorwort. Wie Anm. 1, S. 5.

8 Ebd., S. 6.

9 Patricia NN: Interview. Wie Anm. 6.

10 Lesle, Laudatio. Wie Anm. 2, S. 21.

11 Ebd., S. 22.

12 www.buehnenbund.com/konrad-hansen-preis.html.