Carl Maria von Weber

Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von

Musikalisches Wunderkind und Opernkomponist

Geboren in Eutin am 19. November 1786
Gestorben in London am 5. Juni 1826

Am Abend des 11. September 1820 schreibt Carl Maria von Weber, Komponist und Königlicher Kapellmeister und Direktor der deutschen Oper am Dresdner Hoftheater, seiner in Hamburg weilenden Gattin Caroline einen Brief aus seiner Geburtsstadt Eutin, wo er sich im Rahmen einer Konzertreise mit seinen beiden älteren Halbbrüdern Fridolin und Edmund für mehrere Tage aufhält:

Mein herzliebster Muks!

Ich habe die Freude dich heute zum 2t male begrüßen zu können, da heute Nacht die Post nach Hamburg geht, und die Mukkin also Morgen Abend schon weiß daß ihre Männe glüklich und gut in Eutin angelangt ist. Heute früh 8 Uhr fuhren wir von Lübek ab und kamen auf gutem Wege um ½ 2 Uhr hier an. besahen nach Tische den Garten, und nun schreibe ich diese Zeilen bei H: Fürstenau |: Onkel des unsrigen :| wo schon der H: Kammerherr von Fabritius aus Plön angeritten kam, und alles bestimmt wurde. Uebermorgen ist hier mein Concert. Freytag in Plön. Sonnabend gehe ich über Kiel nach Schleßwig. das Dampfboot geht noch und wird durchaus und einstimmig gerühmt. Alles ist hier arrangirt ich habe fast gar nichts zu thun. Die Musiker kommen zu 20 bis 11 Meilen weit auf ihre Kosten, und nehmen nichts. ist das nicht außerordentlich? Meine Brüder schwimmen hier in alten Errinnerungen, da sie hier erzogen sind. ich muß jezt schließen, da eine Probe um 7 Uhr ist. […] Mir geht es recht wohl. auch der Zahn quält mich nicht so sehr. gute gute Nacht.

Ewig dein treuer dich unendlich treu liebender

Muks.

Eutin, d: 11t Sept. Abends 7 Uhr. 1820.

Die Rührung eines erwachsenen Mannes, der zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten seine Heimat wiedersieht, ist schwerlich zu übersehen. Dabei hat sich Carl Maria von Weber insgesamt nicht einmal 200 Tage seines knapp 40 Jahre währenden Lebens in Eutin aufgehalten. #1

Hier kommt er am 18. November 1786 zur Welt. Aus einer früheren Ehe des Vaters hat Carl Maria bereits vier fast erwachsene Halbgeschwister. Die Musik scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein: Die Mutter, Genovefa, ist Opernsängerin und Schauspielerin, der Vater, Franz Anton, seit 1779 Hofkapellmeister und Stadtmusikus zu Eutin, das in diesen Jahren seine kulturelle Blüte erlebt.

Über den baldigen Wegzug der Familie aus Eutin erfährt man in der voluminösen Biographie, die Carl Maria von Webers zweitgeborener Sohn Maximilian Maria 1864 über seinen berühmten Vater veröffentlicht, dies:

Das Jahr 1786 war ein trauriges für die Familie Weber, die damals im Specht’schen Hause [Lübecker Str. 48] zu Eutin wohnte. Die seelenkranke junge Frau, deren tiefe Melancholie sich noch mit dem Eintritt ihrer Schwangerschaft steigerte, vermochte nicht den häuslichen Himmel aufzuheitern, unter dem Franz Anton verdrossen, oft rauh und schroff, seine Kinder in der Musik unterrichtete und mit steigendem Mißmuthe bei jedem, das heranwuchs, wahrnahm, daß es seine Lieblingsidee, ein musikalisches Wunderkind zu besitzen, nicht in seinem Sinne realisiren werde.

Unter diesen Umständen wurde das Leben in Eutin dem unruhigen Manne zur Last und es war bereits beschlossen, die gesammte Stellung daselbst aufzugeben, ehe weitere Aussichten für die ferneren Lebenswege eröffnet waren.

Max Maria von Weber: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Bd. 1. Leipzig 1864, S. 19.

Nur wenige Monate nach der Geburt Carl Marias beschließt Franz Anton von Weber, seinen Traum, „eine Operngesellschaft zu begründen und, mit ihr Deutschland durchziehend, die Meisterwerke dramatischer Musik […] dem Publikum vorzuführen“ #2, in die Wirklichkeit umzusetzen. Er verkauft seine Pension und viele seiner Musikinstrumente und verlässt mit seiner Familie im Mai 1787 Eutin zunächst in Richtung Hamburg. Es dauert allerdings noch bis 1789, ehe er seine eigene reisende Theatertruppe endlich gründen kann. Es wird nicht die letzte in seinem ruhelosen Leben sein.

Auf Carl Maria, der von Geburt an kränkelt und aufgrund eines Hüftschadens erst mit vier Jahren das Laufen erlernt, verwendet der Vater einen Großteil seiner Energie, um aus dem Jungen das erwünschte musikalische „Wunderkind“ zu formen. In Salzburg, wo die Familie 1796 lebt, erhält der Zehnjährige Unterricht in Klavier und Komposition, ebenso in München, wohin die Familie nach dem Tod der Mutter 1797 zieht. Im sächsischen Freiberg wird 1800 die erste Oper des Vierzehnjährigen, „Das Waldmädchen“ uraufgeführt. Allerdings ohne großen Erfolg.

Im 1802 besuchen Carl Maria und Franz Anton von Weber zum ersten Mal seit 15 Jahren die Geburtsstadt des Sohnes.

14 Tage im October 1802 brachten die Weber’s in Eutin zu, wo sie besonders im musikalischen Hause des Kanzleirath Stricker wohl aufgenommen waren. Hier knüpfte sich die Bekanntschaft mit dem dort als Rektor lebenden Joh[ann] Heinr[ich] Voß fester, der früher schon zu Franz Anton in Beziehung gestanden hatte, jetzt aber eine Zuneigung zu dem blassen, interessanten Jüngling Carl Maria faßte, die später, so weit dies bei der großen Altersverschiedenheit möglich war, zur Freundschaft wurde. […] Im Stricker’schen Hause wurde viel musizirt, wobei es aber Carl Maria oft verdroß, daß der Sohn des Kanzleiraths mit seinem fertigen Maultrommelspiel wahre Triumphe feierte; als aber derselbe einst sogar auf zwei Maultrommeln spielend, solchen Enthusiasmus erregte, daß selbst Franz Anton ausrief: „Gott Maria wie schön!“ weigerte sich der Knabe auf’s Bestimmteste selbst wieder zu spielen.

Max Maria von Weber: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Bd. 1. Leipzig 1864, S. 72.

In den darauffolgenden anderthalb Jahrzehnten schwankt Carl Maria von Webers Karriere zuweilen stark von einem Pol zum anderen: Mit gerade einmal 17 Jahren erhält er 1804 seine erste Anstellung als Kapellmeister am Theater in Breslau. Er arbeitet hart an seinen Fähigkeiten als Dirigent, kündigt nach zwei Jahren aus Überdruss seine Stelle und begibt sich, zunächst arbeitslos, auf die Reise durch Süddeutschland. Als Sekretär beim württembergischen Prinz Ludwig von Württemberg findet er immerhin wieder Zeit zum Komponieren, ehe er, hochverschuldet und in eine Korruptionsaffäre seines Dienstherrn verstrickt, gemeinsam mit seinem Vater 1810 aus Württemberg ausgewiesen wird.

In den nächsten Jahren schlägt er sich als freischaffender Pianist und Dirigent durch, bringt ein paar eigene Opern zur Uraufführung und gründet in Hannover den „Harmonischen Bund“, einen Zusammenschluss mehrerer Komponisten, die einander durch anonym verfasste Rezensionen beruflich zu unterstützen planen. Außerdem ist er immer wieder auch als Schriftsteller aktiv: Er verfasst die Text zu einiger seiner Opern selbst und ist publizistisch tätig, und ein autobiografischer Roman über das Künstlerleben wurde zwar zu Lebzeiten nicht veröffentlicht, ist aber in Fragmenten erhalten.

Zwischen 1813 und 1816 bekleidet Carl Maria von Weber das Amt des Operndirektors am Prager Ständetheater. 1817 wird er schließlich, gegen erhebliche Widerstände des sächsischen Hofes, als Königlicher Kapellmeister und Direktor der deutschen Oper ans Dresdner Hoftheater engagiert. Unmittelbar nach seiner Ankunft in Dresden nimmt er gemeinsam mit dem Schriftsteller Friedrich Kind die Arbeit an jener Oper auf, die ihn vier Jahre später mit einem Schlag quasi weltberühmt werden lassen wird: „Der Freischütz“.

Im September 1820 begibt sich Carl Maria von Weber mit seiner Frau Caroline zu einer Konzertreise durch Norddeutschland und nach Dänemark. Auf dem Plan stehen Hamburg, Eutin, Plön, Kiel und Kopenhagen. In der Biographie von Sohn Maximilian, der selbst erst zwei Jahre später geboren wird, liest sich die Wiederbegegnung seines Vaters mit Eutin wie ein kleiner Triumphmarsch:

Neugierig durchlief er die Straßen der kleinen Stadt in aller Frühe und besuchte sein niedres, aus Fachwerk ausgeführtes Geburtshaus.

Die Eutiner, stolz auf ihren berühmten Landsmann, hatten alle musikalischen Kräfte aufgeboten, ihn würdig zu feiern. Man hatte einstudirt und geübt, um ihm Sachen von sich hören zu lassen, ja zuletzt wurde er, der ursprünglich nur einen Tag verweilen wollte, beredet, ein Concert zu geben, zu dem, ohne sein Vorwissen, schon alles vorbereitet war.

Max Maria von Weber: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Bd. 2. Leipzig 1864, S. 254.

Das Konzert im Rathaussaal wird begeistert umjubelt, die Abreise nach Plön am 14. September schildert Maximilian als Flucht vor den Zuneigungsbezeugungen der Eutiner Bürgerschaft. Ganz anders stellt sich da Carl Maria von Webers Aufnahme durch sein Publikum in Kiel dar, wo er bei dem Organisten Johan Georg Christian Apel und dessen Frau Margarethe logiert: Das Konzert, das er am 20. gibt, ist zwar ausverkauft, trägt ihm allerdings „weit weniger Beifall [ein], als er zu empfangen gewohnt war. Die Universität verhielt sich fast teilnahmslos, auch wurde er so wenig gut unterstützt.“ #3

Von Weber selbst schreibt, sichtlich beleidigt, vor seiner Abreise nach Kopenhagen an Caroline:

[D]as Concert war recht schön voll. die Begleitung aber sehr schlecht, da habe ich mich beim Rondo schwer geärgert. In dieser Hinsicht wird von nun an meine Reise wohl ihre schöne Seite bekommen, denn die Städte die ich nun treffe sind mit lauter guten Orchestern versehen. gespielt habe ich übrigens gut. und nach Abzug der Unkosten die sehr beträchtlich sind, habe ich 87 Thaler übrig. ist das nicht ehrenwerth für so einen Ort?

Es wird Carl Maria von Webers letzte Reise in die alte Heimat bleiben. Nach dem überwältigenden Erfolg der Uraufführung des „Freischütz“ am 18. Juni 1821 im Berliner Schauspielhaus am Gendarmenmarkt verschlechtert sich sein Gesundheitszustand aufgrund einer langwierigen Tuberkulose zusehends. Während einer Konzertreise stirbt er in der Nacht zum 5. Juni 1826 in London und wird dort am 21. Juni in einem Bleisarg in einer Gruft der römisch-katholischen Kirche St. Mary Moorfields beigesetzt. 18 Jahre später werden seine sterblichen Überreste ins Familiengrab nach Dresden überführt. Die Grabrede hält Richard Wagner.

In Eutin erinnert seit 1853 eine Gedenktafel an Carl Maria von Webers Geburtshaus in der Lübecker Str. 48 an den berühmtesten Sohn der Stadt. Anlässlich seines 125. Geburtstags werden 1951 die alljährlich veranstalteten Eutiner Sommerspiele (seit 2000 Eutiner Festspiele) ins Leben gerufen, die zu den wichtigsten musikalischen Ereignissen Norddeutschlands zählen.

24.6.2021 Jens Raschke

ANMERKUNGEN

1 Vgl. Martin Karl-Wagner: Carl Maria von Weber in Eutin. Ein Stadtspaziergang auf den Spuren des Komponisten. Eutin o.J., S. 1.

2 Max Maria von Weber: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Bd. 1. Leipzig 1864, S. 20.

3 Ebd., Bd. 2, S. 256.