Hein Hoop

Hoop, Heinrich Hermann.

Künstler, Schriftsteller, Provokateur

Geboren am 27. Dezember 1927 in Gråsten/Gravenstein (Dänemark)
Gestorben am 25. Mai 1986 bei Koldenbüttel

Er war einer der großen Unruhestifter der schleswig-holsteinischen Kunst, der weitab von den kulturellen Zentren, im äußersten Süden der Halbinsel Eiderstedt, einen subkulturell-aktionistischen Stützpunkt einrichtete. Und er ist keine 40 Jahre nach seinem frühen Tod weitgehend vergessen: Der Bildhauer, Zeichner, Aktionskünstler und nicht zuletzt Schriftsteller Hein Hoop.

Hoop wurde 1927 im nordschleswigschen Gråsten geboren. #1 Die Familie zog bald nach Klein Rheide bei Schleswig, und Hoop spielte als junger Mann bei der Niederdeutschen Bühne in Schleswig mit. In den 1950er Jahren studiert er Kunst an der Montana State University (USA) und verbringt einige Zeit in San Francisco und Los Angeles, zu dieser Zeit Keimzellen des künstlerisch-literarischen Untergrunds. Nach diesem Kontakt mit der internationalen Avantgarde kehrt er nach Norddeutschland zurück und macht in Flensburg eine Ausbildung zum Holzbildhauer. Er wird Lehrer an den Berufsschulen in Husum und Flensburg, wird jedoch vorzeitig pensioniert. In den 1960ern kauft er zusammen mit seiner Frau Heidrun Kinski ein Haus in Katingsiel (Tönning), das sie unter dem Namen „Galerie Kinski“ zu einem regional bedeutsamen Kulturzentrum machen und in dem Hoop seine Holzskulpturen ausstellt – 1973, nach der Scheidung, wird das Haus in „Galerie Eiderdamm“ umbenannt. Allmählich erweitert Hoop sein künstlerisches Spektrum – neben Skulptur und Grafik rückt zunehmend die Aktionskunst ins Zentrum seiner Tätigkeit. In seinen Aktionen bezieht er sich intensiv auf seine Umgebung – es ist nicht übertrieben, von „Wattenmeerkunst“ zu sprechen, die an einem anderen Ort so nicht hätte entstehen können. Er betreibt die „Wiederaufforstung des Wattenmeeres“ mit seinen Holzskulpturen, veranstaltet 1971 bei Ebbe ein Klavierkonzert im Watt, das dann bei aufkommender Flut mitsamt der Bühne und dem Klavier untergeht, und installiert in einer seiner bekanntesten Aktionen eine Tür im Watt, die sich mit Ebbe und Flut öffnet und schließt. Hoop ist dabei ein geschickter Selbstdarsteller, der mit dem Skandalpotential seiner oft explizit sexuellen Kunst (sein Markenzeichen als Bildhauer sind Frauenskulpturen mit Penisköpfen) zu arbeiten weiß und auch mal völlig unbekleidet auftritt (und Fotos solcher Auftritte in seine Bücher einbaut). 1971 gelingt ihm ein Coup, als er eine Falschmeldung auf der Titelseite der Hamburger Morgenpost lancieren kann: Angeblich habe er eine nackte Studentin in seiner Galerie in einen Zwinger gesperrt, um künstlerisch auf die Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen; diese sei jedoch aufgrund der Kälte entwichen. Auch sonst scheute er in seinen Arbeiten nicht das Plakative und manchmal bewusst Alberne, ist aber gleichzeitig ein eminent politischer Künstler: Er befasst sich mit der Verschmutzung des Watts durch Öl, indem er verendete Seevögel ausstellt, und eröffnet noch vor der Ausrufung des Nationalparks Wattenmeer einen per Hinweisschild ausgewiesenen „Kulturschmutzpark“. 1980 bewirbt er sich mit dem Satiriker Henning Venske letztlich erfolglos um eine eigene Radiofrequenz, auf der bei positivem Bescheid der Sender „Freies Nordfriesland“ gesendet hätte.

Als Schriftsteller ist Hoop seit Mitte der 1970 Jahre enorm produktiv: Er veröffentlicht von 1975 bis zu seinem Tod mehr als ein Dutzend Bücher (viele davon im Selbstverlag) hauptsächlich mit Gedichten auf Hoch- und Niederdeutsch. Viele dieser Texte werden vertont und auf Schallplatte veröffentlicht, unter anderem von seinen nordfriesischen Nachbarn Hannes Wader und Knut Kiesewetter. 1979 bringt Hoop eine eigene Schallplatte heraus – Trutz blanker Hohn, ein gemeinsam mit Henning Venske verfasstes und gesungenes „Friesical“ mit Musik von Lonzo Westphal. Hier wird unter anderem der Schimmelreiter in eine Disco-Version überführt - eine in ihrer Kuriosität wohl einzigartige Storm-Adaption, die deswegen hier eingebunden werden soll:

Auch in seinen Songs und Gedichten erweist sich Hoop als begabter Provokateur, der kein Interesse daran hat, seinem Publikum die üblichen Klischees vom einfachen, bodenständigen plattdeutschen Landleben vorzusetzen. Selbst seine für den NDR entstandenen niederdeutschen Vortragstexte, die den konventionellsten Teil seines Werks darstellen, beschäftigen sich unverblümt mit Tod, Sexualität und den Abgründen der Geschichte wie den Hexenverbrennungen, und in seinen programmatischen Texten zeigt sich der Autor unwillig, sich und die niederdeutsche Sprache von Konventionen einschränken zu lassen:

Bi mi keem annerletzt en junge Mann. Philologe nööm he sik. He harr höört, wat ik plattdüütsch schreev, un he interesseer sik för mien Arbeit. […] „Ihre Themen“, sä he op hochdüütsch, „sind nur zum Teil geeignet, die Vorzüge der plattdeutschen Sprache deutlich zu machen. Plattdeutsch ist eine sinnliche Sprache, die vornehmlich die Gefühlsbereiche und nicht die Ratio anspricht. Frivole Inhalte oder Satire sind ihr fremd.“ „Junge Mann“, sä ik, „dat mag sien Richtigkeit hebben, dat mit de Sinne. Ik finn dat ja ok schöön, wenn en so von Hart to Hart snacken kann. Aver wi Plattdüütschen sünd doch nich to kort kamen. Bito uns söß Sinne hebben wi doch sowat as en Verstand kregen, un de is plattdüütsch upwussen. Schüllt wi em verdrögen laten?“

Hein Hoop: Vörwoort in egen Saak. In: Ders.: De See is frie. Nüe plattdütsche Leder. Husum: Husum 1976, S. 5.

Wer sich derart von der Verniedlichung des Niederdeutschen freimacht und Rationalität, Satire und Frivolität ihren Platz gibt, kann sich auch aus der – realen oder vermeintlichen – Provinzialität befreien, mit der die Sprache oft verbunden wird. In einem anderen Vorwort formuliert Hoop deswegen selbstbewusst:

Wer humoristische plattdeutsche Unterhaltungsliteratur macht, wird sich immer der Kritik aussetzen, provinzlerische Volkstümelei zu betreiben. Ich selbst sehe in einer thematischen Bezogenheit auf die engere Heimat und ihre spezifischen Menschen kein negatives Moment, auch nicht in der Absicht, „nur“ unterhalten zu wollen. Wo diese Momente allerdings mißbraucht werden, blut- und bodengetränkten Regionalchauvinismus zu fördern, fehlt es der plattdeutschen Sprache nicht an Qualitäten, den Mißbrauch zu brandmarken.

Hein Hoop: Anmerkung zu diesem Buch. In: Ders.: Jakob Bütt un annere Geschichen un Riemels. Hamburg: Struck 1979, S. 5.

Diese „thematische Bezogenheit auf die engere Heimat“ kann ganz unterschiedliche Formen annehmen, darunter auch durchaus alberne, verwegen gereimte, aber unbestreitbar komische Verse wie diese:

Der alte Römer Tacitus
schrieb über Friesland manchen Stuß.
Was er uns Friesen antat
mit „Frisia non cantat“,
war seine größte Schandtat.

Hein Hoop: Frisia non cantat. In: Ders.: Frisia non cantat. Humoristisch-volkstümliche, frivole und satirische Liedtexte in platt- und hochdeutscher Sprache. Katingsiel: Eidam 1976, S. 8.

Trotz aller Leichtigkeit und Eingängigkeit ist Hoops Dichtung aber niemals harmlos, und gelegentlich schlägt sie ins Zynische und Bittere um:

Die Welt ist ein Müllabladeplatz,
beschissen im Osten und Westen.
Falls ihr auch heute noch Hoffnung schmatzt,
werde ich euch das Mahl verpesten.

               So bleibt mir vom Halse möglichst weit;
               der Umgang mit mir kann nur schaden.
               Haltet Abstand, das wäre gescheit.
               Ich bin stets negativ geladen.

Hein Hoop: Ich bin stets negativ geladen. In: Ders.: Unterm Strich. Bänkeltexte. Katingsiel: Galerie am Eiderdamm 1975, S. 8.

Demgegenüber überraschend versöhnlich ist sein einziges gedrucktes Theaterstück, Die Landkommune (1979): Dem sowohl auf hochdeutsch als auch auf niederdeutsch veröffentlichten Schwank dürfte literarturhistorisch das Verdienst zukommen, zuerst den Konflikt zwischen alternativ-urbaner Jugend und alteingesessener Bauernschaft in der Provinz geschildert zu haben, und obwohl das durchaus komisch und mit dramatischer Zuspitzung geschieht, gibt es einen harmonischen Schluss, an dem die Landkommune zwar an der ökonomischen Realität scheitert, aber alle Beteiligten immerhin etwas gelernt haben und sogar zwei Verlobungen zu verzeichnen sind. Hoop selbst, der ewige Außenseiter, kam trotz der Radikalität seiner Kunst „mit den Eingeborenen ganz gut zurecht. Vorbehalte hatte er eher gegenüber den […] Touristen, von denen er andererseits recht gut lebte: durch den Verkauf seiner (von ihm selbst als „Souvenirkunst“ bezeichneten) Grafiken.“ #2

1978 legte Hoop einen Band mit Übersetzungen des von ihm bewunderten schwedischen Dichters Carl Michael Bellman vor, dessen Lieder er sowohl ins Hoch- als auch ins Niederdeutsche übertrug. Hannes Wader verwendete die Übersetzungen für sein Album Liebe, Schnaps, Tod – Wader singt Bellman (1996), nachdem er schon vorher von Hoop verfasste Shanties aufgenommen hatte.

Diese sicherlich erwünschte Verwendung seines (Wader gewidmeten) Bellman-Bands sollte Hoop nicht mehr erleben: 1986 verstarb der herzkranke Künstler auf der Autofahrt nach Husum, an der B5 bei Koldenbüttel. Seine ehemalige Galerie in Katingsiel ist heute wieder der Öffentlichkeit zugänglich, freilich in neuer Funktion: Hier befindet sich das NABU-Naturzentrum Katinger Watt.

2.12.2022 Jan Behrs - mit herzlichem Dank an Fritz Bremer für den Hinweis

ANMERKUNGEN

1 Die biografischen Informationen stammen hier und im Folgenden überwiegend aus Arno Bammé: Kunst am Meer. Hein Hoop’s Damm gegen die Unkultur. Dresden: Verlag der Kunst 2012.

2 Ebd., S. 8f.