August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich; geboren als August Heinrich Hoffmann

 

Geboren in Fallersleben am 2. April 1798
Gestorben in Corvey am 19. Januar 1874

Der Name Hoffmann von Fallersleben wird heute gemeinhin fast ausschließlich mit dem Text der deutschen Nationalhymne assoziiert. Dass beides – Dichter und Liedtext – ihrerseits aufs Engste mit der damaligen britischen Kronkolonie Helgoland verbunden sind, dürfte sich hingegen noch nicht allzu weit herumgesprochen haben. Von Fallersleben war zur Zeit der Entstehung bereits 43 Jahre alt und konnte auf ein bewegtes Akademikerleben zurückblicken.

1798 im niedersächsischen Städtchen Fallersleben als Sohn des dortigen Bürgermeisters Heinrich Wilhelm Hoffmann und dessen Gattin Dorothea Balthasar geboren, erfährt der junge August Heinrich eine exzellente Schulausbildung, ehe er im Mai 1815, als Gymnasiast des Braunschweiger Katharineums, seine ersten vier Gedichte verfasst und veröffentlicht. Im Jahr darauf nimmt der 18-Jährige auf Drängen der Eltern in Göttingen das Studium der Theologie auf; viel lieber hätte er sich jedoch, nach dem Vorbild des von ihm verehrten Forschers Johann Joachim Winckelmann, für Altertumskunde immatrikuliert.

Eine Begegnung mit Jacob Grimm in Kassel hinterlässt in Hoffmann einen derart tiefen Eindruck, dass er nach seiner Rückkehr das Studienfach wechselt und sich fortan mit Hingabe der deutschen Philologie widmet. Nach dem Wechsel der Universität wird in Bonn Ernst Moritz Arndt einer seiner prägenden Dozenten, Hoffmann selbst Mitglied der Alten Bonner Burschenschaft. 1821 erscheint mit Lieder und Romanzen seine erste Gedichtsammlung, für die er sich, aus Gründen der Unverwechselbarkeit, einen neuen Namen gibt: Hoffmann von Fallersleben.

In den folgenden zwei Jahrzehnten schlägt von Fallersleben die vielversprechende Laufbahn des Bibliothekars ein, zunächst in Berlin, wo er durch seine Anstellung beim Freiherrn Gregor von Meusebach rasch die Bekanntschaft mit Persönlichkeiten wie Georg Friedrich Hegel und Ludwig Uhland macht, später dann in Breslau. Hier wird er 1830 zum außerordentlichen, fünf Jahre später zum ordentlichen Professor für deutsche Sprache und Literatur ernannt.

Im August 1840 reist Hoffmann von Fallersleben zum ersten Mal nach Helgoland. Die Begeisterung der Deutschen für die seit 1807 unter britischer Herrschaft stehende Insel steuert soeben ihrem Höhepunkt entgegen. Der Beliebtheitsvorsprung vor dem bis dato favorisierten Norderney wächst von Sommer zu Sommer. Vor von Fallersleben haben bereits national-romantisch beseelte Prominente wie der Forscher und Schriftsteller Adelbert von Chamisso, der Maler Rudolf Jordan, der Dichter Heinrich Heine, der Vormärz-Autor Christian Ludolf Wienbarg und sein eigener Verleger Julius Campe das markante Eiland kennen und lieben gelernt und zum angesagtesten Sehnsuchtsort der Deutschen profiliert. #1

In seiner Autobiographie schildert Hoffmann von Fallersleben seine erste Begegnung mit Helgoland folgendermaßen:

Mittwoch den 19. August ging das Dampfschiff nach Helgoland. Ich war sehr heiter und suchte auch Andere in heitere Stimmung zu bringen und darin zu erhalten. Bis Cuxhaven eine fröhliche Fahrt: wenig Seekranke an Bord. Wie wir uns der Nordsee näherten, die Küsten nach und nach verschwanden, da wurde es still und stiller in der Gesellschaft, im Meere aber lebendiger, es stürmte immer stärker […]. Der Anblick der See war mir nichts Neues, aber neu, daß ich nun selbst mitten darin war, nichts sah als Wasser und Himmel. Endlich zeigte sich unseren Blicken das ersehnte Eiland. Der Ruf: Land! belebte die Schwachen und Kranken. Bald hatten wir es erreicht. Unter den Klängen der Musik wurden wir ausgeschifft. Es war mir doch ein angenehmes Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. In verkürzter Form herausgegeben und bis zu des Dichters Tode fortgeführt von Dr. H. Gerstenberg, Zwei Teile, Teil 1. Berlin 1894, S. 274f.

Der Besucher, der sich auf einen längeren Aufenthalt eingerichtet hat, bezieht ein eigenes Häuschen und stellt seinen Alltag rasch auf den Rhythmus der Insel um:

Mein Leben war einfach: Morgens Spazierengehen, dann Ueberfahrt zur Düne, Baden, Rückfahrt, Spazieren, Mittagsessen, Kaffeetrinken im Trichter, Ausruhen auf der Klippe, einen Augenblick im Conversationshause um Zeitungen zu lesen, dann letzter Spaziergang auf der Klippe und zu Bette. Ich suchte keine Gesellschaft, ich war mir selbst genug und freute mich, daß ich es war: ich konnte Stunden lang im Sonnenschein oben auf der Klippe liegen und in die See sehen, während Andere Stunden lang bei Peter Franz, Block, Rickmers, Mohr tafelten und dann müde vom Baden, Essen und Trinken bis in den Abend hineinschliefen. […] Das Leben war sehr einförmig. Es war schon ein großes Ereigniß, wenn zweimal wöchentlich das Dampfschiff kam, und ein noch größeres, wenn es durch Sturm verhindert, nicht kam.

Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. In verkürzter Form herausgegeben und bis zu des Dichters Tode fortgeführt von Dr. H. Gerstenberg, Zwei Teile, Teil 1. Berlin 1894, S. 275.

In diesem Ambiente der beseelten Abgeschiedenheit verfasst von Fallersleben die Helgoländer Lieder, derweil die vornehmlich großstädtischen Inseltouristen um ihn herum vergnügt feiern und nächtliche Feuerwerksfahrten veranstalten. Außerdem legt er letzte Hand an den ersten Teil seiner Unpolitischen Lieder, die zu seinem bis dato breitenwirksamsten schriftstellerischen Erfolg werden sollen.
Körperlich erholt und seelisch gefestigt, verlässt Hoffmann von Fallersleben am 21. September Helgoland an Bord des Dampfschiffs „Henriette“. Aber schon ein Jahr darauf empfängt ihn die Insel ein zweites Mal. Am 11. August reist er an und bezieht abermals Quartier für einen guten Monat. Zwei Wochen später ist es dann so weit:

Den ersten Augenblick schien mir Helgoland wie ausgestorben, ich fühlte mich sehr verwaist. Und doch that mir bald die Einsamkeit recht wohl. […]. Wenn ich dann so wandelte einsam auf der Klippe, nichts als Meer und Himmel um mich sah, da ward mir so eigen zu Muthe, ich mußte dichten und wenn ich es auch nicht gewollt hätte. So entstand am 26. August das Lied: „Deutschland, Deutschland über Alles!“ […]. Am 29. August spaziere ich mit Campe [der Hamburger Verleger Julius Campe (1792-1867); J.R.] am Strande. „Ich habe ein Lied gemacht, das kostet aber 4 Louisd'or.“ Wir gehen in das Erholungszimmer. Ich lese ihm: „Deutschland, Deutschland über Alles“ und noch ehe ich damit zu Ende bin, legt er mir die 4 Louisd'or auf meine Brieftasche. Wir berathschlagen, in welcher Art das Lied am besten zu veröffentlichen. Campe schmunzelt: „Wenn es einschlägt, so kann es ein Rheinlied werden. Erhalten Sie drei Becher, muß mir Einer zukommen.“ Ich schreibe es unter dem Lärm der jämmerlichsten Tanzmusik ab, Campe steckt es ein, und wir scheiden. Am 4. September bringt mir Campe das Lied der Deutschen mit der Haydn'schen Melodie in Noten, zugleich mein Bildniß, gezeichnet von C.A. Lill. An letzterem nichts gut als der gute Wille. Hoffentlich werden meine Freunde ein besseres Bild von mir in der Erinnerung behalten haben.

Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. In verkürzter Form herausgegeben und bis zu des Dichters Tode fortgeführt von Dr. H. Gerstenberg, Zwei Teile, Teil 1. Berlin 1894, S. 289ff.

Doch zu Lebzeiten wird Hoffmann von Fallersleben den Erfolg seines „Lieds der Deutschen“ nicht mehr mitbekommen: Am 5. Oktober 1841 wird es zum ersten Male im kleinen Kreise vorgetragen, aber das war es dann auch schon. Wegen seiner politischen Ansichten verliert von Fallersleben die preußische Staatsangehörigkeit und begibt sich auf eine mehrjährige Reise von Exil zu Exil, die erst durch eine Amnestie im Revolutionsjahr 1848 endet. Ab 1860 arbeitet er wieder als Bibliothekar, dieses Mal an der Fürstlichen Bibliothek Corvey bei Herzog Victor I. Herzog von Ratibor. Sein „Lied der Deutschen“ geht leer aus, als man 1870 nach einer neuen Nationalhymne für das Deutsche Reich sucht.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben verstirbt am 19. Januar 1874 in Corvey und hinterlässt ein künstlerisch-ideelles Erbe, von dem Künstler*innen noch bis ins 21. Jahrhundert zehren: Kurt Tucholsky, Hannes Wader und vor allem Franz Josef Degenhardt, der dem widerständigen Geist 1991 gar einen eigenen Roman widmet. #2

Erst über anderthalb Jahrzehnte nach dem Tod von Fallerslebens, am 9. August 1890, wird das „Lied der Deutschen“ zum ersten Mal offiziell gesungen: bei der Übergabe Helgolands ans Deutsche Reich. Auf der Insel erinnert heute ein Denkmal an ihn.

28.6.2021 Jens Raschke

ANMERKUNGEN

1 Vgl. Eckhard Wallmann: Helgoland. Eine deutsche Kulturgeschichte. Hamburg 2017.

2 Franz-Josef Degenhardt: August Heinrich Hoffmann, genannt von Fallersleben. München 1991.