Jens Rassmus

Rassmus, Jens.

Maritimes Licht und wechselnde Perspektive

Geboren in Kiel 1967

Lebt in Kiel.

Es regnete.
Und wenn es regnete, liebte es der Kofferfisch ganz dicht an der Wasseroberfläche entlang zu schwimmen. Er lauschte dem Prasseln der Regentropfen und beobachtete die kleinen Wellenkreise über sich.
„Weißt du was?“, sagte er zum Doktorfisch, der neben ihm schwamm.
„Nein.“
„Ich wäre so gerne mal richtig nass.“
„Wir sind Fische“, sagte der Doktorfisch. „Wir sind immer nass.“
„Wir sind unter Wasser, aber nass sind wir nicht. Nass ist man nur, wenn man nass ist.“
Der Doktorfisch warf dem Kofferfisch einen fragenden Blick zu. „Du meinst, man ist nass, wenn man nass ist, aber man ist nicht nass, wenn man unter Wasser ist?“
„Genau.“
„Dann ist man ja nie nass“, sagte der Doktorfisch nach einer Pause.
„Doch! Wenn du Luft und Wasser gleichzeitig auf dir spürst, dann bist du nass. Zum Beispiel wenn du gebadet hast und dann an Land gehst.“
„Fische gehen aber nicht an Land“, warf der Doktorfisch ein.
„Oder wenn du durch den Regen schwimmst.“
„Man kann auch nicht durch den Regen schwimmen.“
„Ja, leider“, sagte der Kofferfisch.

Jens Rassmus: Richtig nass. In: Ders., Ein Pflaster für den Zackenbarsch. Geschichten vom Doktorfisch. St. Pölten u.ö. 2014, S. 30–32; hier: S. 30f.

Er hat bislang über vierzig Kinderbücher illustriert – eigene wie fremde –, aber er zeichnet auch Comics, Plakate und Umschlagmotive für Bücher und CDs: Der Autor und Künstler Jens Rassmus, der für seine phantasievollen Ideen und deren souveräne Umsetzung regelmäßig ausgezeichnet wird – den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis hat er seit 2005 mehr als ein halbes Dutzend Mal erhalten.

Jens Rassmus ist ein Meister der Stimmungen und der Farbigkeit. Seine Techniken reichen von der großflächigen Malerei mit Acryl bis zur zarten aquarellierten Federzeichnung. Menschen, Tiere und Fabelwesen bewegen sich in der Weite der Landschaft, in Städten und engen Räumen. Alltagssituationen steigern sich zu fantastischen Ereignissen. In großartiger Inszenierung enden die Geschichten harmonisch, manchmal etwas skurril. Wichtiges Element seiner Kompositionen ist Wasser. Wie sollte es anders sein bei einem gebürtigen Kieler? Seine Bilder brauchen Licht und wechselnde Perspektiven.

Ursula Remmers: Ein Meister der Stimmungen und der Farbigkeit. In: E&W Niedersachsen, Ausgabe 11/2007, S. 25.

Rassmus macht 1987 an der Hebbelschule Abitur und studiert von 1992–1998 Illustration und Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg. Rasch spezialisiert er sich auf  Kinderbücher, weil er von den Freiheiten fasziniert ist, die ihm das Medium bietet. Ihn interessierte „die kurze Form, die Beschränkung auf wenige Seiten, das Erzählen mit Bild und Text ohne festgelegte Hierarchie. Und ich merkte auch, dass ich gerne Geschichten für Kinder erzähle.“ #1 Beeinflusst wird Rassmus von Comic-Klassikern wie Asterix und Tim und Struppi, aber auch von Künstlern wie Moebius, Bernd Pfarr und Michael Sowa.

1987 erscheint das Debüt Bauer Enno und seine Kuh Afrika. Das Buch findet umgehend Anklang („Dieser Jens Rassmus ist eine echte Entdeckung. So denkt und malt doch einer, der den ewig wechselnden Himmel über dem Meer kennt, der die Wolken liebt und der ohne die Weite nicht leben kann.“ #2), wird ins Englische und Französische übersetzt und für das Theater adaptiert. Weitere z.T. preisgekrönte Bände folgen, etwa Das Vollmondorchester (1999), Rosa und Bleistift (2011) und Das Nacht-Tier (2018). Ab 2002 illustriert Rassmus auch Texte aus fremder Hand. Einige Beispiele aus dem Kieler Umfeld: Käpten Eichhörnchen und die Zaubertür (2014) von Christopher Ecker) und Schlafen Fische? (2017) von Jens Raschke, außerdem montag ist mützenfalschrumtag (2014) und rotkäppchen fliegt rakete (2017), beide von Arne Rautenberg. Rassmus: „Für mich ist inspirierend, dass ich Arne sehr gut kenne, weil er auch Kieler ist. Normalerweise hat man keinen Kontakt zu den Autorinnen und Autoren, bei Arne ist das anders. Und seine Gedichte sind sehr lustig, sehr bildreich, da ist es einfach für mich, einen Zugang zu finden.“#3

Zum Unterschied, ein eigenes Buch oder ein fremdes Manuskript zu illustrieren, sagt Rassmus:

An einem eigenen Buch sitze ich ewig. Ich stelle immer wieder alles infrage und verändere mehrfach das Ende, den Anfang und die Mitte. Bei einem fremden Text gehe ich gezielter vor: Ich mache ein grobes Storyboard, um den Verlauf der Geschichte vor Augen zu halten, und dann lege ich los.

Kindern kraftvolle Träume geben. Ein Gespräch mit Jens Rassmus. Interview: Horst Küppers. In: klein&groß – Zeitschrift für Frühpädagogik, Januar 2020, S. 46–47, hier, S. 47.

Mit Erfolg – zu Der Zapperdockel und der Wock (Text: Georg Bydlinski, 2013) heißt es in der Jurybegründung zur Nominierung des Buches für den Deutschen Jugendliteraturpreis:

Illustrator Jens Rassmus gibt den Figuren weite imaginäre Räume, bewegte Landschaften und Wolkenformationen aus vital atmenden Tuschestrichen, die er mit blassen Aquarellflächen nicht als Kolorierung, sondern als ebenbürtiges formales Mittel kombiniert. Text und Bild formen eine harmonische Seelenlandschaft, in die der Betrachter längst eingetaucht ist, bevor der Verstand dumme Fragen zu stellen beginnt.

Zit. n. www.jensrassmus.de.

Jens Rassmus lebt und arbeitet in Kiel, wo er seit 2014 Lehrbeauftragter für Illustration an der Muthesius Kunsthochschule ist. Lesetouren führen ihn regelmäßig durch den deutschsprachigen Raum; mit dem Goethe-Institut hat er Workshops in Palästina, Israel, Marokko, Ägypten und Nord-Mazedonien veranstaltet. Seine Homepage findet sich hier: www.jensrassmus.de

29.09.2021 Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Kindern kraftvolle Träume geben. Ein Gespräch mit Jens Rassmus. Interview: Horst Küppers. In: klein&groß – Zeitschrift für Frühpädagogik, Januar 2020, S. 46–47, hier: S. 47.

2 Susanne Schübel: Bauer Enno träumt sich ein schönes Schiff. In: WAZ, 15. November 1997.

3 „Für Kinder ist das immer lustig, wenn Erwachsene Fehler machen“ Jens Rassmus im Gespräch. Interview: Ute Wegmann. Deutschlandfunk, 9. August 2014.