Arezu Weitholz

Weitholz, Arezu

Vielfältige Prosaistin, Songtexterin und (Fisch-)Dichterin

Geboren 1968

Auch wer noch nie ein Buch von Arezu Weitholz in der Hand gehabt hat, kann durchaus Texte von ihr kennen: Die in Niedersachsen aufgewachsene Autorin machte während ihrer Karriere als Journalistin Bekanntschaft mit Herbert Grönemeyer und wurde auf diese Weise Co-Verfasserin von etlichen seiner Songs; auch mit 2raumwohnung, Adel Tawil, Madsen und Udo Lindenberg hat sie auf diese Weise zusammengearbeitet. Über Grönemeyers legendäres Album Mensch hat sie zum 20. Jubiläum unter dem Titel Zu Mensch einen Band mit „Skizzen und Blicken zurück“ veröffentlicht.

In gedruckter Form trat Weitholz zunächst mit Fischgedichten auf, von denen sie in rascher Folge vier Bände veröffentlichte. Das thematisch doch recht eng begrenzte Genre wird in diesen Büchern humorvoll und mit viel Liebe zum Kalauer (und zum gewagten Reim) vermessen:

Der schlecht gelaunte Zackenbarsch
kauft T-Shirts immer extralarge.

Arezu Weitholz: Der schlecht gelaunte Zackenbarsch. In: Der Fisch ist ein Gedicht. Beste Fischgedichte. München: Kunstmann 2017, S. 12, V. 1-2.

Auch in Weitholz‘ erstem Roman Wenn die Nacht am stillsten ist kommt ein Fisch vor, aber damit hört die Ähnlichkeit auf: Das 2012 erschienene Buch ist ein ernsthafter, nachdenklicher Text, der sich mit den Abgründen und Widersprüchen im Leben einer Pop-Journalistin auseinandersetzt, die feststellt, dass sie den Mann, mit dem sie zusammenlebt, weder kennt noch ihm etwas über sich selbst erzählt hat:

Die ganze Zeit hast du immer und immer wieder versucht, mir zu erklären, wie ich das anstellen soll, das Gewinnen, das Starksein. Du hast gesagt, man darf jetzt nicht einknicken, man soll sich keine Blöße geben. Und jetzt liegst du vor mir, nur die Decke verhüllt deinen Körper. Wenn Du die Augen öffnen würdest, könntest du mich sehen. Aber ich weiß ja noch nicht einmal, ob du mir zuhörst.

Arezu Weitholz: Wenn die Nacht am stillsten ist. Roman. München: Kunstmann 2012, S. 18.

Das Buch wurde von der Kritik positiv aufgenommen und im Literaturhaus SH beim Europäischen Festival des Debütromans vorgestellt.

Ohne eine Genrebezeichnung kommt der 2020 erschienene Text Beinahe Alaska aus, für den Weitholz den Hans-Fallada-Preis 2022 der Stadt Neumünster erhielt. In der Tat ist eine solche schwer zu finden, denn Beinahe Alaska ist einerseits eine Reisebeschreibung, geht aber darin nicht auf und liefert neben konzise und geistreich formulierten Naturschilderungen aus der Arktis mindestens ebenso viele soziologische Beobachtungen der auf einem Kreuzfahrtschiff versammelten Reisegruppe. Und der Klimawandel, der Schifffahrten durch die Nordwestpassage erst möglich macht, ist immer im Hintergrund anwesend:

Das größte Problem war die Erosion, hatte Connor heute Morgen erklärt. Es gelangte mehr Regen in die Atmosphäre. Mehr Wasser hieß mehr Regen. Die Küsten brachen. Häuser würden absacken, Straßen versinken. Telefon- und Stromleitungen ausfallen, das Trinkwasser knapp werden. Durch Überflutung und Erosion zog sich die Küstenlinie in der gesamten Arktis pro Jahr um mehr als einen halben Meter zurück. Keiner war in Panik ausgebrochen, als Connor das vorgetragen hatte. Es war wie beim Arzt, der einem sagte: Sie werden sterben, irgendwann.

Arezu Weitholz: Beinahe Alaska. Hamburg: mare 2020.

Arezu Weitholz lebt in Berlin und am Großen Plöner See.

19.5.2022 Jan Behrs