Meldorf

WISSENSWERTES

Die im Zentrum des Kreises Dithmarschen gelegene Stadt Meldorf kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Wie die sogenannte „Fibel von Meldorf“ belegt, war das heutige Stadtgebiet am Geestrand schon im 1. Jahrhundert besiedelt. Bei der Christianisierung Schleswig-Holsteins spielte der Ort eine wichtige Rolle, und bereits um 820 baute man hier die St.-Johannis-Kirche, insgesamt die vierte Kirche nördlich der Elbe. Die heutige Kirche gleichen Namens, die auch als Meldorfer Dom bekannt ist, wurde im 13. Jahrhundert gebaut, und in der Zeit der Bauernrepublik Dithmarschen wurden hier die politischen Entscheidungen getroffen. In dieser Zeit, genauer gesagt 1265, erhielt Meldorf auch zum ersten Mal das Stadtrecht – 1598 verlor man es wieder, und es dauerte bis 1870, bis der Ort zum zweiten Mal zur Stadt wurde. Die ehemalige Lateinschule, heute Meldorfer Gelehrtenschule, besteht seit 1540. Im Jahre 1872 wurde das Dithmarscher Landesmuseum gegründet; der 1896 errichtete Neubau, der heute einen von vier Standorten des Museums darstellt, ist der älteste noch bestehende Museumszweckbau Schleswig-Holsteins. Das Landesmuseum verfügt über umfangreiche Sammlungen zur Geschichte Dithmarschens und zur Alltagsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Seit 1986 hat die Stadt mit dem Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftsmuseum ein zweites Museum – beide befinden sich in Laufweite voneinander im Norden der Innenstadt.

Heute ist Meldorf eine lebendige Kleinstadt mit etwa 7.500 Einwohnern. Obwohl die Kernstadt durch Neulandgewinnung mittlerweile 6 km von der Nordseeküste entfernt ist, ist sie über den 1979 eingedeichten Speicherkoog, der hauptsächlich als Naturschutz- und Naherholungsgebiet genutzt wird, direkt mit dem Wattenmeer verbunden. Einzigartig in Schleswig-Holstein ist die Mitgliedschaft im Netzwerk „Cittaslow“: 2015 hat sich die Stadt dieser Vereinigung von Orten angeschlossen, die mit der Förderung eines „langsamen Tourismus“ zur nachhaltigen Entwicklung beitragen will. Über dieses und andere touristische Angebote informiert die Tourist-Information direkt hinter dem Dom.

LITERARISCHES

In der Literaturgeschichte ist Meldorf vor allem mit zwei Personen verbunden, die zur selben Zeit in der Stadt wirkten: 1744 wurde hier der Dichter Heinrich Christian Boie als Sohn des Meldorfer Predigers geboren. Nachdem er in Jena und Göttingen studiert hatte und mit dem Göttinger Musenalmanach und dem Deutschen Museum zwei der bedeutendsten literarischen Zeitschriften des 18. Jahrhunderts gegründet hatte, kehrte er 1781 als Landvogt in seine Heimatstadt zurück. Boie machte Meldorf durch sein riesiges Freundesnetzwerk, zu dem Matthias Claudius, Johann Gottfried Herder und Johann Wolfgang von Goethe gehörten, zu einem Knotenpunkt der literarischen Kommunikation. Er besuchte von hier aus Friedrich Gottlieb Klopstock und den in Emkendorf versammelten Kreis und war in Meldorf auch literarisch tätig – seine Gedichte und Verserzählungen wurden unter anderem in Johann Heinrich Voß‘Musen Almanach und Schillers Horen veröffentlicht. Voß war gleichzeitig Boies Schwager, denn er hatte 1777 seine ebenfalls in Meldorf geborene Schwester Ernestine geheiratet.

Bereits drei Jahre vor Boies Rückkehr hatte sich der Orientreisende Carsten Niebuhr aus Kopenhagen in Meldorf niedergelassen, nachdem der dänische König ihn zum Justizrat und Landschreiber ernannt hatte, und die beiden Geistesgrößen freundeten sich bald an. Niebuhr befand sich in dieser Zeit auf dem Gipfel seines Ruhms, den er als einziger Überlebender einer dänischen Expedition nach Arabien und Indien erworben hatte. Seine Reisebeschreibungen waren im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert enorm populär. In der Nähe von Niebuhrs Wohnsitz gegenüber der Johanniskirche erinnert seit 1999 eine von Manfred Sihle-Wissel gestaltete Büste an ihn.

Agnes Willms-Wildermuth, die produktive Autorin von Jugendbüchern, lebte von 1866 bis 1878 in Meldorf und schrieb hier unter anderem ihre holsteinische Erzählung Des Marschbauern Tochter.

Im Jahre 1854 wurde die auch unter dem Pseudonym „Eva Treu“ schreibende Autorin Lucy Griebel in Meldorf geboren; sie lebte bis 1894 in der Stadt und zog dann nach Lübeck.

In den 1870er Jahren besuchte der in Barlt geborene Dithmarscher Erfolgsautor Gustav Frenssen in Meldorf das Gymnasium. Nach seinem Durchbruch mit dem Roman Jörn Uhl kehrte er 1902 für einige Jahre in die Stadt zurück und schrieb hier den Roman Hilligenlei. Der Gustav-Frenssen-Weg in Meldorf wurde 2015 wegen der antisemitischen und nationalsozialistischen Gesinnung des Autors umbenannt.

Der Pädagoge und Schriftsteller Martin Luserke, der in den 1910er und 20er Jahren zusammen mit Wilhelm Lehmann in der Reformschule Wickersdorf gewirkt hatte und in den späten 1930er Jahren hauptsächlich auf seinem Schiff lebte, legte 1938 in Meldorf an und siedelte sich 1940 fest dort an. Als nach Kriegsende die Einnahmen des zu NS-Zeiten populären Schriftstellers wegbrachen, wurde er 1947 Lehrbeauftragter für Laienspiel an der Meldorfer Gelehrtenschule und entwickelte seine Konzeption des darstellenden Spiels zur sogenannten „Meldorfer Spielweise“ weiter. Er lebte bis zu seinem Tod 1968 in der Stadt. Vor seinem Wohnhaus (Jungfernstieg 37) wurde 2010 eine Informationstafel platziert, die Luserke und seine Pädagogik vorstellt.

IN DER UMGEBUNG

Meldorf liegt an der Bundesstraße 5 genau zwischen zwei weiteren literarischen Zentren Dithmarschens: Heide im Norden und Marne im Süden sind jeweils etwa 15 km entfernt. Etwas weiter (20 km) ist es in die Hebbel-Stadt Wesselburen im Nordwesten. Im Nordosten des Kreises liegt Tielenhemme, der Wohnort Sarah Kirschs, immerhin 35 km entfernt, und im benachbarten Kreis Rendsburg-Eckernförde befindet sich etwa 30 km östlich von Meldorf der letzte Wohnort Theodor Storms, Hanerau-Hademarschen.

14.1.2021Jan Behrs